Festival-Trash

Neulich am Baggersee: Freunde berichten von ihren letzten Festival-Besuchen. Der Besuch von Festivals erscheint wie ein Ideal nicht-materiellen Konsums: Menschen treffen sich, um gemeinsam gute Musik zu hören, zu tanzen, zu feiern, zu trinken und romantisch im Zelt zu schlafen. Schockiert hat mich deswegen folgender Bericht von erfahrenen Festival-Besuchern:

Auf den großen Festivals bleiben – so der Bericht meiner Freunde – offensichtlich nach Ende des Festivals Tausende Zelte zurück. Billig-Zelte, für 30 Euro bei einem Discounter gekauft, oft von 2-3 Leuten gemeinsam, macht also pro Person gerade mal 10-15 Euro fürs Zelt. Da spart man sich am letzten Tag, verkatert wie man ist, gern mal das Abbauen. Dann rücken die Bulldozer an.

Erschreckend auch die Empfehlung meiner Freunde, mit Pfand-Dosen-Sammeln ließe sich nach Ende des Festivals ein Vermögen verdienen (und es folgten ausgiebige Hochrechnungen über den Verbrauch von Getränkedosen bei mehreren Tausend Besuchern über 3-4 Tage hinweg).

Ich versuche mich an die Zeit zu erinnern, als ich noch auf Festivals unterwegs war. Wir haben unser Zelt wieder mitgenommen. Was und woraus wir getrunken haben, weiß ich nicht mehr. Dosen waren es nicht. Und an Müllberge erinnere ich mich auch nicht. Vielleicht alles nur geschönte Erinnerungen? Waren auch eher kleinere Festivals.

Irgendwie wollte ich das alles nicht so recht glauben, da fand ich diesen Artikel in der SZ. Allein Rock am Ring hat – so der Artikel – letztes Jahr 600 Tonnen Müll produziert. Habe ich das alles nie gemerkt? Da fand ich diesen Artikel im Spiegel, der mir bestätigte: Wir haben früher wesentlich weniger Müll auf Festivals produziert. 2006 waren es laut Artikel 4 kg Müll pro Besucher. Heute sind es 15 kg! Da ich noch wesentlich vor 2006 auf Festivals war, scheint mich meine Erinnerung nicht getrogen zu haben.

Leute, was ist mit Euch los? Wir hatten einen Haufen Spaß damals. Wieso brauchten wir für diesen Spaß so viel weniger Müll? Bei so einem eklatanten Unterschied frage ich mich: Liegt es wirklich an den einzelnen Besuchern? Dann muss wohl irgendwas mit der Erziehung dieser verlotterten Generation grundlegend schief gegangen sein….  Sind Festival-Besucher heute so viel weniger umweltbewusst? Das wäre ja ein totales Versagen der Umweltbildung!

Oder haben sich Angebotsstrukturen so verändert, dass dadurch mehr Müll entsteht? Zum Beispiel gab es zu unserer Zeit noch keine Billigzelte beim Discounter. Und vermutlich gab es auf dem Festivalgelände Pfand-Getränke zu kaufen. Zu meiner Zeit waren Dosen imagemäßig gerade auf dem Weg zum absoluten Umwelt-No-Go.

Ich glaube, wir müssen auch die Angebotsstrukturen stärker in den Blick nehmen.  Die Verantwortung des Einzelnen ist zwar wichtig und richtig, aber warum soll es eigentlich erlaubt sein, jeden Blödsinn anzubieten und dann von den Leuten zu erwarten, so vernünftig zu sein, diesen Blödsinn nicht zu kaufen (und ihn nicht wegzuwerfen)? KOffee to Go Becher ist da so ein Beispiel… Die Debatte um Plastiktüten und deren Verbot in vielen Ländern ist in dieser Hinsicht endlich wieder mal ein Lichtblick. Je älter ich werde, umso mehr werde ich in Umweltthemen zum Verfechter einer rigiden Ordnungspolitik. Nix freier Konsum. Her mit den Verboten! Vielleicht bieten solche Themen ganz neue Schnittmengen für eine Schwarz-Grüne-Koalition?

Als ich damals auf einem dieser Festivals in einem Schlosspark einer schmucken deutschen Kleinstadt in den frühen Morgenstunden aus dem Zelt kroch, fiel mein Blick auf ein älteres Ehepaar, das mit seinem Dackel durch die noch immer über der Zeltstadt hängenden Rauchschwaden spazierte, um sich das verlotterte Pack in den Zelten anzusehen. Das wären die idealen Wähler einer solchen Konstellation: Law and Order gegen diese Müllberge! Und wenn die damals gewusst hätten, wie harmlos wir mit unseren paar Kilo Müll waren…

Also, liebe Festival-Besucher, vereinigt Euch! Her mit ZeroWaste-Aktivitäten auf Festivals, deswegen gehen diese Anregungen auch an die Blogparade:

Logo-einab

Autor: Familie auf Kaufdiät

Wir sind volle Schränke und leere Kassen leid und halten den täglichen Konsumwahnsinn für eines der wesentlichen Probleme dieses Planeten. Deswegen gönnen wir uns als vierköpfige Familie nur noch den Kauf von einer Sache pro Monat. Gar nicht so einfach! Aber eine spannende Erfahrung!

11 Kommentare zu „Festival-Trash“

  1. Hallo!

    Über dieses Thema habe ich schon einmal mit meiner Tochter gesprochen und konnte es gar nicht glauben! Ganz viele sammeln den Müll nicht sondern lassen ihn einfach irgendwo fallen. Es ist wirklich furchtbar!

    Bei einigen Sachen gibt es ein Pfandsystem, aber ganz vielen ist sogar das Pfandgeld egal, sie bringen die Gegenstände nicht zurück um sich das Geld zurück zu holen.

    Daran merkt man meiner Meinung nach nicht nur das fehlende Umweltbewusstsein sondern auch den Luxus, in dem manche leben (siehe auch Dein Beispiel vom Zelt!). Geld hat keine Bedeutung mehr, es geht allen scheinbar viel zu gut.

    Ich finde das wirklich schrecklich und bedanke mich sehr herzlich, dass Du das Thema aufgegriffen hast!

    lg
    Maria

    Gefällt 1 Person

    1. Hallo Maria,
      am meisten schockierte mich, wie sich das Thema zum Schlechteren entwickelt zu haben scheint. Aber wenn wir alle unsere Kinder wieder mehr dafür sensibilisieren, entwickelt es sich vielleicht auch wieder zum Besseren. Ich gebe die Hoffnung nicht auf! Und muss echt mal wieder ein Festival besuchen, um mir selbst ein Bild zu machen… Vielen Dank für fürs Weiterposten! LG Martina

      Gefällt 1 Person

  2. Da wir von der Flüchtlingshilfe Solingen das Problem auch kennen und ein tolles Projekt gefunden haben, wollten wir losziehen und die Zelte und Schlafsäcke nach den Festivals einsammeln um sie zu warmen „Schlafanzügen“ für Obdachlose zu recyclen. Bloss fehlt uns leider ein Auto um die Festivals abzuklappern. Es gibt in Holland ein Projekt „Sheltersuit“ das genau so begonnen hat. Sowas würde die Müllmenge schonmal reduzieren, wäre sinnvolle Tätigkeit für Leute die Lust haben und würde so manchen Obdachlosen wärmen.
    Schluss mit ex und hopp und Geiz ist nicht geil!

    Gefällt 1 Person

    1. Hallo,
      das ist ja mal ein wirklich tolles Projekt!!! Wie schade, dass ich nicht in der Region wohne, da wäre ich gleich dabei! Falls es jetzt wirklich nur am Auto hapert: Kennst Du Car-Sharing? Bei uns kann man da auch Busse, Transporter etc. günstig leihen. In Solingen gibts da auch was, habe ich gerade gesehen: Carsharing in Solingen
      Dann wünsche ich Euch, dass ihr ganz viele Mitstreiter findet!!!
      Viele Grüße
      Martina

      Like

  3. Oh, dankeschön für diesen Beitrag!
    Ich gehöre wohl eher zu Deiner Generation und bin wie Du erschüttert über die Entwicklung zum schlechten, von der auch ich schon gelesen hatte. Die Festivals bemühen sich, soweit ich weiß: recycelbare Bestecke beim Essen, Pfandbecher, auf dem Gelände, sowas. Aber wenn die Besucher gleichgültig sind, was hilft’s dann?

    Gefällt 1 Person

    1. Dann liegts wohl doch eher an der Erziehung als an den Anbietern. Ich weiß ja nicht, was ich frustrierender finden soll! Dann muss ich wohl mir bei meinen beiden Kleinen besonders große Mühe geben, damits bis zur Pubertät wirkt….
      Viele Grüße
      Martina

      Like

Hinterlasse einen Kommentar